Abschiedskultur oder
Entsorgungsmentalität?

Bildhauer-Workshop der KEB beschäftigt sich mit der Gestaltung von Grabstätten

 

Grabsteingestaltung und Kreativität sind kein Widerspruch.

 

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland", schrieb der Lyriker Paul Celan einst in seiner „Todesfuge". Über das Sterben an sich wird jedoch wenig gesprochen im Land der Dichter und Denker. Dafür umso mehr über Bestattungskultur: Urnenbestattung, Rasenfelder oder Friedwald als Alternativen zum Friedhof sind derzeit in aller Munde. Themen, die auch am vergangenen Samstag im Mittelpunkt eines Workshops der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) der Diözese Speyer standen.
Unter dem Titel „Wenn Menschen schweigen, werden Steine reden" hatte Bildhauer Siegfried Keller zu einem Workshop in sein Atelier in Harthausen eingeladen. Sieben Teilnehmer beschäftigten sich einen ganzen Tag lang mit dem Thema „Grabstätte", besuchten den Harthausener Friedhof und durften in Kellers Werkstatt selbst einmal Steine bearbeiten.
„Die Unfähigkeit, mit Sterben, Tod und Trauer umzugehen, hat durch jahrelange weitgehende Tabuisierung zugenommen." Das ist eine der Thesen, die Keller in einem gut eineinhalbstündigen und von den Teilnehmern lebhaft diskutierten Vortrag aufstellte. Der Sinn von Trauer und Bestattungsritualen, die früher Halt in der Trauer gaben, werde von vielen nicht mehr verstanden. Der Verlust christlicher Werte und das zunehmend materialistische Weltbild, in dem der Mensch einzig und allein als Konsument im Vordergrund stehe, führe letztlich zur Vorstellung des Todes nicht als Tor zur Ewigkeit, sondern als wirtschaftlich nicht mehr nutzbarem Endpunkt. Demgegenüber stünden „hervorragend durchgestylte Marketingkonzepte" für Ruheforste und Friedwälder – und Provisionen für Bestatter, die Kunden vermitteln, so Keller.
Keine Grabpflege betreiben zu müssen, sei heute für viele Hinterbliebene ein wichtiges Argument, hat der Bildhauer festgestellt. Doch werde dabei aus den Augen verloren, dass Trauerbewältigung einen konkreten Bestattungsort brauche und im Ruheforst etwa weder Kerzen noch Blumengrüße erlaubt seien. „Einer sich breit machenden Entsorgungsmentalität gilt es eine Abschiedskultur entgegenzustellen, die ihre Toten ehrt und wertschätzt", findet Siegfried Keller. Friedhöfe sollten seiner Ansicht nach deshalb ihren Platz mitten im Leben einer Kommune haben und als zentraler sozialer und kultureller Raum gefördert und genutzt werden. Der Bildhauer geht dabei so weit zu fordern, dass Gemeinden einen Haushaltsposten im Kulturetat für die Friedhofsgestaltung ausweisen.
Friedhöfe sollten „Wohlfühlorte" sein, die einen Raum eröffnen, dass Menschen ihre Verbundenheit und Liebe zu verstorbenen Angehörigen über den Tod hinaus ausdrücken können, meint Keller. Die Realität sehe vielerorts allerdings ganz anders aus: monotone, uniforme, beklemmende Grabreihen, fehlende flexible Öffnungszeiten, aus finanziellen Gründen immer weiter verkürzte Liegezeiten und nicht zuletzt steigende Grabnutzungsgebühren für konventionelle Bestattungen.
Noch sei die Friedwaldkultur mit etwa zwei Prozent der jährlich rund 900000 Bestattungen in Deutschland an ihrem Anfang, so Keller. Für die Kommunen sei es aber höchste Zeit zum Gegensteuern, denn eine Abwanderung zu alternativen Bestattungsformen treibe die Friedhofskosten immer weiter in die Höhe.
Für den Bildhauer sind individuell und ohne Zwang zu konventioneller christlicher Symbolik naturnah gestaltete Grabstätten die Alternative der Zukunft – so, wie es ansatzweise im pfälzischen Hanhofen und auch im schwäbischen Geislingen verwirklicht sei. Trauernde sollten die Möglichkeit haben, am Grab etwas tun zu können, es aber nicht zu müssen, fordert Keller. Der Grabstein gehört für ihn als Steinmetz unverzichtbar zu einem Trauerort dazu. Seine Idee: Als „Lebensstein" könne eine Skulptur schon zu Lebzeiten Teil der Gartengestaltung sein und nach dem Ableben dann auf dem Friedhof als Grabstein dienen. Dann erst werden die Steine gemäß dem Wort des heiligen Augustinus für ihn wahrhaft „reden".
Steine „mit allen Sinnen erfahren" konnten die Kursteilnehmer schon einmal im Praxisteil, bei dem sie selbst in der Bildhauer-Werkstatt Hammer und Meißel in die Hand nehmen durften.

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